Die verborgenen Risiken der Digitalisierung
Wer als Kind auf eine heiße Herdplatte fasst, begeht einen Fehler und spürt dessen Auswirkungen unmittelbar – man lernt schnell, nachhaltig und begeht diesen Fehler kein zweites Mal. Anders ist es, wenn wir beispielsweise Fehler bei unserer Altersvorsorge machen. Da die Konsequenzen nicht unmittelbar spürbar sind, lernen wir aus diesen Fehlern nur schwer.
Unknown unknowns: Dinge, von denen wir noch nicht einmal wissen, dass wir sie nicht wissen. Unknown unknowns sind besonders problematisch bei der Beurteilung der richtigen Vorgehensweise.
Donald Rumsfeld, der zu Zeiten des 3. Golfkrieges im Jahre 2002 US-amerikanischer Verteidigungsminister war, prägte in diesem Kontext den Begriff der „unknown unknowns“. Damit also der Dinge, von denen wir noch nicht einmal wissen, dass wir sie nicht wissen. Diese „unknown unknowns“, so Rumsfeld seinerzeit, seien besonders problematisch bei der Beurteilung der richtigen Vorgehensweise in der Auseinandersetzung mit dem Irak – und in der Folge hat sich aus den „unknown unknowns“ ein Modell zur Risikoabschätzung entwickelt.
UNKNOWN UNKNOWNS SCHAFFEN LOSE-LOSE SITUATIONEN BEI DER DIGITALISIERUNG
Auch bei der Planung und Durchführung von Digitalisierungsvorhaben spielen die oben beschriebenen Wirkungsmechanismen eine entscheidende Rolle: Wer ein solches Vorhaben starten möchte, weiß in verschiedenen Dimensionen nicht, was er alles nicht weiß – und hat keine Möglichkeit, unmittelbar aus seinen Fehlern zu lernen, weil ein relevanter Teil der möglichen negativen Auswirkungen sich erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung manifestiert.
Interessant dabei: Erfahrene Digitalisierungsdienstleister wie wir werden bei Ausschreibungen oft als zu teuer wahrgenommen, weil sie finanzielle Vorsorge tragen wollen für ein oder mehrere unknown unknowns, deren Existenz manche Beteiligte zu diesem Zeitpunkt vielleicht noch nicht erkennen oder bestreiten. Auch werden sie womöglich als langsam empfunden, weil entsprechend Zeit und Aufwand zum Ausbügeln von unknonwn unknwowns in die Planung mit aufgenommen werden. Wir machen das aber, weil wir diverse Spätfolgen eben kennen und berücksichtigen. Wir werden also gegebenenfalls für unsere Kompetenz und Erfahrung bestraft, aus der heraus wir eben sehr wohl von der realen Existenz von unknown unknowns wissen und gerade nicht sagen „alles ganz easy und schnell fertig“. Das wollen aber viele hören, beziehungsweise neigen sie dazu, denjenigen zu beauftragen, der genau das verspricht. Nach diesem Schnittmuster entstehen übrigens unter anderem auch Großprojekte wie Flughäfen oder Bahnhöfe.
Wir haben es jetzt schon einige Male erlebt, dass jemand, der sich anfangs genau aus den oben beschriebenen Gründen gegen uns entschieden hat, nach zwei Jahren reumütig bei uns auf der Matte steht und sich ärgert, dass er damals nicht „auf uns gehört hat“. Das ist zwar eine schöne Bestätigung für uns – bringt aber letztlich im Vergleich zu einem weiter vorausschauend und mit mehr Vertrauen ausgelegten Vorgehen nur Verlierer. Wir haben das große Projekt nicht gewonnen, der Kunde hat viel Zeit verloren. Lose-lose-Situation – sagt man nicht so gerne, oder? Schade!
WO RESIDIEREN DIESE SAGENHAFTEN UNKNOWN UNKNOWNS EIGENTLICH?
Wer auf der Suche nach einem vermeintlichen Fabelwesen bis hierhin so tapfer durchgehalten hat, soll noch mit ein paar Hinweisen belohnt werden, wo unknown unknowns schon mehrfach angetroffen wurden und immer wieder einmal gesichtet werden.
Unknown unknowns Systemarchitektur
- Schnelle, kurzfristig improvisierte, individuelle Sonderlösung in der Shopsoftware macht Probleme bei Updates
- Zu viel individuelle Anpassung im monolithischen Shopsystem
- Naiv eingesetzte Plugins geringer Qualität
Unknown unknowns Setup
- Mangelhafte Produktdaten (unbekanntes Datenmodell, fehlende Einheitlichkeit)
- Schnittstellenanforderungen unklar beziehungsweise unterschätzt
- (zu spät erkannte) Individualisierungsanforderungen an Standardsoftware
- Nicht erwarteter Geschwindigkeitsverlust in der Kommunikation mit Drittdienstleistern
Unknown unknowns Ausbau
- Setup-Nacharbeiten verbrauchen alle verfügbaren Ressourcen
- Herausforderungen im Tagesgeschäft behindern fokussierten Ausbau
- Keine Impulse, stumpfes, reaktionäres Abarbeiten vorgegebener Themen durch Dienstleister
Unknown unknowns Tagesgeschäft
- Support fühlt sich nur für die selbst verursachten Probleme verantwortlich („kein Kundenblick“)
- Support nicht ausreichend qualifiziert, nimmt Meldungen nur an
- Support kann viele technische Probleme nicht selbst lösen
AUCH INTERESSANT
TÜV-Zertifizierung Interview
Warum ist es den Shopmachern wichtig, TÜV-zertifiziert zu sein?
Letztlich geht es uns um Trust. Denn Vertrauen ist im Vorfeld eines sich anbahnenden IT-Projektes ein entscheidender Faktor.
Die wichtigsten ShopTech-Anforderungen 2023
Der Anbietermarkt für Commerce-Lösungen ist in Bewegung. Experten sehen eine Entwicklung hin zu Composable Commerce und Cloud-basierten Lösungen. Wie sollte ein zukunftsfähiges Commerce-System beschaffen sein? Manuel Ludvigsen-Diekmann, CTO der SHOPMACHER, spricht gemeinsam mit zwei weiteren Commerce-Experten über die wichtigsten ShopTech-Anforderungen für 2023.
So stellt ihr euer Tech-Stack zukunftssicher auf oder: Vergesst ChatGPT, macht lieber eure Basis-Hausaufgaben!
Über welche Kanäle verkaufen wir morgen? Und wird die Online-Nachfrage weiter sinken oder doch wieder stark steigen? Wer heute vor der Anschaffung neuer Software für seinen Online-Shop steht, muss viele Faktoren bedenken. Unser CTO Manuel Ludvigsen-Diekmann beantwortet einige zentrale Fragen.